Missklänge – 25. März 2020
Schöne neue Welt
Eine Krise ist wie der Mond: Es gibt eine dunkle Seite und es gibt zumindest helle Flecken. Also: Her mit den guten Nachrichten. Da ist zunächst der Begriff Corona, der sich für ‚SARS-CoV-2‘ eingebürgert hat.
Für freiberufliche Schriftsteller stand das Wort bisher eher für die Patronin des Geldes. Fußballfans und Zecher, die nun einsam zu Hause sitzen, denken zuerst an mexikanisches Bier. Und von Zigarren zu reden (die Corona ist 14 cm lang und 1,6 cm dick), gilt spätestens seit Sigmund Freud als frauenfeindlich.
Die Kinder im kalifornischen Corona haben dem Vernehmen nach schulfrei. Nicht zu vergessen die Schüler im mexikanischen Corona. Da wo das Bier herkommt. Ist es nicht faszinierend, wie sich durch eine solche Krise die Sprache verändert?
Plötzlich kennt jeder die schönen deutschen Wörter ‚Home Schooling‘ (für zu Hause lernen) oder ‚Home-Office‘ (für Tele-Arbeit). Und der Umsatz von einigen Artikeln steigt um sagenhafte achthundert Prozent: Seife, Nudeln, Mehl, Zucker, Reis – und Corona-Bier.
Wer bisher als Scheinselbständiger geschmäht wurde, genießt jetzt das vorzügliche Mitleid der Politiker und darf sich Solo-Selbständiger nennen. Aber das Abitur findet statt – außer für die Erntehelfer; die müssen draußen bleiben. Dabei stehen wir erst am Anfang der Epidemie, wie uns der Hausarzt sagt, bevor er sich für einen sechswöchigen Urlaub verabschiedet.
© Marc Mandel 25.3.2020 21 Uhr 30.