Missklänge – 22. April 2020
Helden des Alltags
Was für eine spannende Zeit. Täglich, stündlich, ja, alle paar Minuten neue Schlagzeilen. Politiker, von denen wir sonst höchstens im ‚Bunten‘ lesen, werden im Radio interviewt, drängen sich in die Talk-Shows, überschlagen sich, andere rhetorisch zu überbieten.
Ganz vorne die Moderatorenlieblinge Armin Laschet („Ich habe eine Idee, wie eine Kanzlerschaft aussehen könnte“), Hubertus Heil („die SPD gibt den Ton an“), Markus Söder („zu meiner Abschlusskundgebung kommt keine Bundeskanzlerin, sondern ein Bundeskanzler“) oder Jens Spahn („Konkurrenz belebt das Geschäft“).
Abweichend davon wird gerade unter zerstrittenen Parteifunktionären die Monstranz der Einigkeit in die Höhe gehalten. Zuletzt von der Bundeskanzlerin bei der „dringenden Empfehlung“ zur „Nasen- und Mundbedeckung“ – aus der mittlerweile dank des föderalen „Hühnerhaufens“ eine bundesweite „Maskenpflicht“ wurde.
Ebenso hoch wird die „Unschuldsvermutung“ gehängt – vor allem bei Unternehmen, die Gewinne in Steuer-Oasen verschieben, während sie hierzulande verschämt Subventions-Millionen beantragen. Glücklicherweise schnüren Bund und Länder bereits ein neues Hilfspaket.
Dabei sind es bei unseren Mandatsträgern weniger die Taten als die Worte, die kreativ verändert werden. Berufsgruppen in prekären Arbeitsverhältnissen tragen das respektvolle Epitheton ‚systemrelevant‘ und als scheinselbstständig verachtete Freiberufler werden zu reputierlichen Solo-Selbstständigen. Und wo bleibt das Positive? Schlechtbezahlte Pflegerinnen und Postboten werden zu Helden des Alltags.
© Marc Mandel 22.4.2020 22 Uhr